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Der Landkreis hat Geburtstag – ein Streifzug durch 200 Jahre Geschichte (Teil 9)

Berkatal, den 24. 08. 2021

Pressemitteilung

Eschwege, den 24. August 2021

 

 

Der Landkreis hat Geburtstag – ein Streifzug durch 200 Jahre Geschichte (Teil 9)

 

Zehnteilige Geschichtsserie anlässlich 200 Jahre Kurhessische Landkreise

 

Am 29. Juni 1821 wurden mit einem kurfürstlichen Organisationsedikt zur Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung in Kurhessen die Landkreise erstmals als Verwaltungseben eingeführt. Diesen 200. Geburtstag der ehemaligen Landkreise Eschwege und Witzenhausen nehmen wir zum Anlass, um in einer zehnteiligen Serie ein Blick auf die Geschichte der Vorläufer des heutigen Werra-Meißner-Kreises zu werfen.

 

Autor der Serie ist Matthias Roeper, Leiter des Stadtarchivs in Witzenhausen und Verfasser zahlreicher stadt- u. heimatgeschichtlicher Publikationen.

 

Der heutige neunte Teil der Serie wirft den Blick „Auf den Weg in die Moderne“.

 

 

Teil 9

 

Auf dem Weg in die Moderne

 

Auch wenn niemand mehr etwas von den Verbrechen des „Dritten Reiches“ hören und vor allen Dingen nicht selbst dabei gewesen sein wollte – etwas erinnerte jeden Tag sichtbar an das Unrecht, das in deutschem Namen von deutschem Boden ausgegangen war: Die „Deutsche Teilung“ als Erbe des Nationalsozialismus und die damit verbundene immer undurchdringlicher werdende innerdeutsche Grenze. Diese im Volksmund als „Zonengrenze“ bezeichnete Todeslinie hatte am 17. September 1945 durch das „Wanfrieder Abkommen“ ihre endgültige Gestalt angenommen und prägte bis zum 9. November 1989 das Leben der Menschen zwischen Herleshausen und Ziegenhagen.

 

Nach dem 13. August 1961, dem bis heute so symbolträchtigen „Tag des Mauerbaus“, wurde sie befestigt, vermint und immer mehr zu einer undurchdringlichen Todeslinie perfektioniert. Zwischenfälle mit sog. „Republikflüchtlingen“ endeten nun blutiger: Mal wurden sie, als sie versuchten die Werra zu durchschwimmen, „nur“ beschossen und verletzt, mal wurden sie von Bodenminen verletzt oder sogar getötet, selten gelang ihnen die Flucht in die Freiheit.

 

Für die Sicherheit auf bundesdeutscher Seite waren in der Region der Bundesgrenzschutz in Eschwege und der Zollgrenzdienst zuständig. Dabei war der Zoll durch seine Kommissariate in Netra, Wanfried und Witzenhausen näher dran und vermittelte der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit. Viele der eigens für die Zollbediensteten gebauten Wohnblocks - so in Witzenhausen in der Straße „Auf den Hecken“ - stehen in den früheren Grenzorten heute noch.

 

 

 

 

Leben an und mit der Grenze

 

Besonders menschenverachtend am Sperrsystem der DDR waren die Splitterminen (SM 70), die beim Berühren der Kontaktdrähte detonierten und ihre Opfer schwer verletzten. Unvermittelt wurde diese Technik dann ab Herbst 1983 abgebaut, wahrscheinlich als Folge eines Milliardenkredites, den Franz-Josef Strauss, der damalige bayerische Ministerpräsident und CSU – Vorsitzende, der damals schon völlig maroden DDR vermittelt hatte.

 

Zwischen Hessen und Thüringen starben an der Innerdeutschen Grenze sechsundzwanzig Menschen bei Fluchtversuchen, mutmaßlich letztes Grenzopfer dürfte am 30. März 1982 Heinz-Josef Große (35) aus Thalwenden gewesen sein. Ihn trennten nur noch wenige Meter von westdeutschem Boden, als er bei Sickenberg von Kugeln der DDR-Grenzposten niedergestreckt wurde.

 

Abgesehen von diesen unmenschlichen Begleitumständen und dem mit dem oft zitierten „gesunden Menschenverstand“ nur sehr schwer zu begreifendem Umstand, dass eine Urlaubsreise ins sonnige Italien leichter zu unternehmen war, als der Besuch eines Allendörfers bei den Bekannten im drei Kilometer entfernten Wahlhausen oder eines Altenburschlaers im nur den berühmten „Katzensprung“ entfernten Großburschla, bedeutete die „innerdeutsche Grenze“ für unsere Region einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen Hemmschuh und die ebenso lange Abhängigkeit von staatlichen Fördertöpfen.

 

Um die tatsächliche Dimension dieser Problematik deutlich zu machen, genügt ein kurzer Blick auf die geographische Lage beider Kreise: Von den insgesamt 195 Kilometern der Eschweger Kreisgrenze waren fast die Hälfte (95 km) gleichzeitig schwer bewachte Zonengrenze, der Kreis Witzenhausen teilte dieses Los auf insgesamt 24,5 Kilometern.

 

 

Wirtschaft am Tropf

 

Neben der menschlichen Tragik dieses „Eisernen Vorhangs“, besaß die widernatürliche Grenzziehung durch die ehemalige Mitte Deutschlands noch eine erhebliche wirtschaftliche Problematik, die die Entwicklung beider Kreise – wenn auch in unterschiedlicher Schwere – nachhaltig beeinträchtigte. Zum einen wurde der historisch gewachsene hessisch-thüringische Wirtschaftsraum auseinander gerissen – nicht umsonst waren die Kreise Mühlhausen, Heiligenstadt, Worbis und Schmalkalden als Teil der gemeinsamen Industrie- und Handelskammer Kassel/Mühlhausen integraler Bestandteil unserer Wirtschaftsregion – zum anderen hatte die plötzliche Randlage zum westlichen Wirtschaftsraum schwerwiegende Strukturnachteile zur Folge. Durch die Grenzziehung waren sowohl die frühere geographische Mittelpunktfunktion innerhalb Deutschlands als auch wichtige Beziehungen in den ostdeutschen Raum sowie nach Mittel- und Osteuropa zerschnitten worden.   

 

Zusätzlich zu diesen eher übergeordneten ökonomische Faktoren hatten viele kleine und mittlere heimische Unternehmen wichtige Absatzgebiete verloren. Dies galt im Bereich des Kreises Witzenhausen insbesondere für den nördlichen Teil mit den Städten Witzenhausen und Bad Sooden-Allendorf, denen mit dem benachbarten Eichsfeld nun ein wichtiger Teil ihrer traditionellen Absatzmärkte verlustig gegangen waren. Ähnlich, nur ungleich gravierender, gestaltete sich die Situation im Kreis Eschwege. Hier waren die ökonomischen Verflechtungen nach Thüringen traditionell noch stärker als im Kreis Witzenhausen, der in seinem südlichen, vornehmlich industriell geprägten Teil, stark in den Kasseler Raum orientiert war.

 

 

Fördermittel schaffen Beschäftigung

 

Die Folge war schon in den Anfangsjahren der Bundesrepublik eine außergewöhnlich hohe Zahl an Arbeitslosen. So meldeten z.B. die „Hessischen Nachrichten“ am 06. Februar 1950: „Die Zahl der Arbeitslosen für den Bezirk Witzenhausen wird für Januar mit 2809 gegenüber 2172 im Dezember angegeben, wobei für den Bereich Witzenhausen 17,5 % Arbeitslose gemeldet sind. Den Höchstdurchschnitt an Arbeitslosen meldet Eschwege mit 30,5%.“

 

Bereits seit Mitte der 50er Jahre wurden deshalb verstärkt staatliche Fördermittel für Investitionen in der Region bereitgestellt, so dass sich die Zahl der Beschäftigten im Landkreis Eschwege von 16.000 im Jahr 1951 auf 22.520 im Jahr 1966 erhöhte – und das trotz der Stilllegung des Kupferschieferbergbaus in Sontra.

 

Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang die Firma Massey-Ferguson genannt werden, die ab 1952 auf dem ehemaligen Gelände des Eschweger Flugplatzes angesiedelt wurde und in Spitzenzeiten bis zu 2.500 Mitarbeiter beschäftigte.

 

Foto PM

Bildunterschrift: Die Firma Massey-Ferguson in Eschwege beschäftigte in Spitzenzeiten bis zu 2.500 Mitarbeiter.

 

 

Die andere Kreisstadt Witzenhausen, der seit 1965 im „Großen Hessenplan“ die Funktion eines „…gewerblichen Schwerpunktortes sowie einer Wohn- u. Fremdenverkehrsgemeinde“ zugedacht worden war, erhielt zudem als Bundesausbau- und Sonderförderungsort seit Ende der 60er Jahre erhebliche Mittel zur Strukturverbesserung und Schaffung von Arbeitsplätzen. „Einen breiten Raum“, lautete bereits die zentrale Aussage des Verwaltungsberichtes der Stadt für die Jahre 1964 – 1968, „…haben alle Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung eingenommen. Hier stand an erster Stelle die Stützung der heimischen Wirtschaft.“

 

Dies galt natürlich nicht nur für die beiden Kreisstädte, sondern auch für die gesamte Region, die als Kompensation für die aus der Randlage resultierenden strukturellen Nachteile seit 1971 von der Bundesregierung die sog. „Zonenrandförderung“ erhielt. Mit Subventionen und günstigen Abschreibungsbedingungen in Verbindung mit einem vergleichsweise niedrigen Lohnniveau sollten die Standortattraktivität verbessert und Investitionsanreize geschaffen werden.

 

So ließ sich seit Mitte der sechziger Jahre auch im strukturschwachen Zonenrandgebiet endlich von Vollbeschäftigung sprechen und bald musste im Land an Werra und Meißner, um den Produktionsprozess aufrecht zu erhalten, verstärkt auf sog. „Gastarbeiter“ aus Südeuropa zurückgegriffen werden. Insbesondere wurden diese Arbeitnehmer in der Zigarrenindustrie benötigt, die, neben Möbel, Textil und Papierherstellung, den industriellen Kern im Raum Witzenhausen bildete. Zusammen mit der Ton-, Schamotte- und Schmelztiegelherstellung im Raum Großalmerode, dem Braukohlebergbau am Hirschberg und auf dem Meißner, der Textil- und Möbelherstellung in Hess. Lichtenau und den vielfältigen kleineren Handwerks- und Gewerbetrieben waren Ende der sechziger Jahre etwa 20.000 Menschen – mehr als ein Drittel der Einwohner des Kreises – in Industrie und Gewerbe beschäftigt. Deutlich weniger industrialisiert war der Kreis Eschwege, dessen gewerblicher Schwerpunkt im Bereich der Metallindustrie lag. Hinzu kamen Textilbetriebe, pharmazeutische Industrie, Steine und Erden, Bauindustrie, Schmelztiegel sowie Betriebe im Bereich Nahrungs- und Genussmittel. Insgesamt waren damals rund 12.000 Arbeiternehmer in der Industrie und noch einmal ca. fünftausend in rund 1000 Handwerksbetrieben beschäftigt.           

 

 

Landwirtschaft und Tourismus 

 

Einen wesentlich höheren Stellenwert als heute besaß damals die Landwirtschaft, die, zumindest im Landkreis Eschwege, einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellte. Laut einer Statistik aus dem Jahr 1966 umfasste der Kreis Eschwege insgesamt eine Fläche von 50.000 ha, von denen 24.000 ha landwirtschaftlich und 18.000 ha forstwirtschaftlich genutzt wurden. Die Struktur war kleinteilig und von den rund 3.900 Betrieben bewirtschafteten etwas mehr als 2.700 eine Betriebsfläche von maximal fünf Hektar. Nur rund 1.000 Betriebe hatten bis zu 20 Hektar und lediglich 156 zwanzig bis fünfzig Hektar unterm Pflug. Ganze dreiunddreißig Landwirte nannten im Kreis Eschwege fünfzig Hektar und mehr ihr eigen – die von ihnen genutzten rund 4.100 Hektar waren allerdings fast ebenso groß wie die Fläche der 2.700 Kleinbauern und Nebenerwerbslandwirte. Ähnlich strukturiert war die Landwirtschaft im Kreis Witzenhausen, wo fünfzehn landwirtschaftliche Großbetriebe über 54% der Anbaufläche verfügten.  Die anderen 46% der Fläche wurden von 90% der Betriebe bewirtschaftet, und dies in der Regel im Nebenerwerb. Größere Bedeutung besaß im Kreis Witzenhausen noch der Obstbau - insbesondere der Kirschenanbau wurde in den 60er und 70er Jahren vor allem im Werratal deutlich intensiviert.

 

Zukunftsträchtig vorangetrieben wurde in beiden Landkreisen auch der Ausbau der touristischen Angebote, und das sowohl über die Schiene örtlicher Heimat- und Verkehrsvereine als auch kreisweiter Zusammenschlüsse, wie dem 1961 gegründeten Fremdenverkehrsvereins „Werra-Meißner-Kaufunger Wald e.V.“ Besonders erfolgreich zeigten sich im Kreis Witzenhausen – neben der Kurstadt Bad Sooden-Allendorf als unbestrittenem Zentrum des heimischen Fremdenverkehrs – die Kreisstadt mit den Kirschen als Werbeträger sowie Großalmerode und die Gemeinde Ziegenhagen, die schon seit 1957 staatlich anerkannter „Luftkurort“ war und 1969 noch zusätzlich das Prädikat „Kneipp-Kurort“ erhielt.

 

Eine ähnliche Entwicklung war im Landkreis Eschwege zu beobachten. Hier lag der Schwerpunkt der Aktivitäten hauptsächlich bei den insgesamt elf Heimat- und Verkehrsvereinen, die, angefangen beim „Verkehrs- und Verschönerungsverein Eschwege“ über den Meißner, die „Hessische Schweiz“ den Ringgau bis hin nach Herleshausen, das gesamte Kreisgebiet touristisch entwickelten. Dass diese in der Regel ehrenamtlichen Aktivitäten durchaus erfolgreich waren, zeigt die Verdreifachung der Übernachtungszahlen von 52.000 im Jahr 1957 auf 154.000 Ende 1965. 

 

Foto PM

Bildunterschrift: Das Kurhaus im Kurpark von Bad Sooden-Allendorf war in den 60er Jahren unbestrittenes Zentrum des heimischen Fremdenverkehrs.

 

 

Eine ganz wichtige - und rückblickend aus heutiger Sicht überaus erfolgreiche - Einzelmaßnahme war in diesem Zusammenhang am 16. Februar 1962 die Schaffung des Naturparks „Meißner - Kaufunger-Wald“ durch die Landkreise Eschwege, Kassel und Witzenhausen. Im großräumigen Gebiet von Meißner und Kaufunger Wald wollte man mit dem Ausbau des Parks mehrere „Fliegen mit einer Klappe“ schlagen. Einerseits sollten Naturlandschaft, Tier- und Pflanzenwelt geschützt und der heimischen Bevölkerung gleichzeitig lärmfreie Erholungsgebiete erschlossen werden. Andererseits war dem Naturpark langfristig eine wichtige Rolle in der touristischen Vermarktung der Region zugedacht und so begann man mit einem dichten Netz an Wanderwegen, Parkplätzen und Ruhemöglichkeiten die notwendige Infrastruktur zu schaffen.

 

 

Moderne Infrastruktur 

 

Die Schaffung moderner Infrastruktur war ganz allgemein ein zentrales Anliegen jener Jahre. Immer problematischer gestalteten sich Zustand und Ausbau des heimischen Straßennetzes, das, teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammend, für den modernen und zudem rapide wachsenden Kraftfahrzeugverkehr nicht ausgelegt war. Dies betraf die Bundes-, Landes- u. Kreisstraßen ebenso wie die teilweise gefährlich engen und verwinkelten Ortsdurchfahrten. Hier mussten von Bund, Land, Kreisen und Kommunen erhebliche Geldmittel aufgewendet werden, um die Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren – so hatten z. B die Kreisverwaltungen in Eschwege und Witzenhausen 1966 für den verkehrsgerechten Ausbau von 154 bzw. 90 Kilometern Kreisstraßen zu sorgen.

 

Foto PM

Bildunterschrift: Eine der damals typischen engen Ortsdurchfahrten - hier in Hundelshausen.

 

 

Eine große Bedeutung für die Mobilität besaß damals noch der Schienennahverkehr und beide Landkreise wiesen ein engmaschiges Streckennetz auf. Den Kreis Witzenhausen durchzogen die Bahnlinien Göttingen – Kassel bzw. Göttingen – Bebra mit dem Bahnhof Eichenberg als Drehkreuz. Von dort zweigte auch die sog. „Gelstertalbahn“ ab, die über Großalmerode, Walburg und Hess. Lichtenau nach Kassel führte. Die Fernverbindung Göttingen – Bebra verband auch den Kreis Eschwege mit dem Fernverkehr. Darüber hinaus gab es von Eschwege noch Bahnlinien nach Wanfried sowie über Waldkappel, Walburg und Hess. Lichtenau nach Kassel sowie über Waldkappel und Spangenberg nach Treysa. Bedauerlicherweise wurden aus Rentabilitätsgründen bis auf die beiden Hauptstrecken sämtliche Nebenbahnen bis Mitte der 80er Jahre stillgelegt und bis heute 90% der Gleise abgebaut – in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels wäre es aktuell sicher nicht verkehrt, man könnte im Nahverkehr auf diese Strecken zurückgreifen.

 

Foto PM

Bildunterschrift: Bevor das Sterben der Nebenbahnen begann, gab es ein deutlich dichteres Schienennetz in den beiden Kreisen.

 

 

Moderne Infrastruktur bedeutete vor allem auch die Anpassung der allgemeinen Lebensbedingungen an die Standards des 20. Jahrhunderts. So nutzte Witzenhausen z. B. bis 1962 noch das alte Abwassersystem aus dem Jahr 1902 und musste von 1962 bis 1968 mit Millionenaufwand – die Stadt sprach damals von einem „Jahrhundertprojekt“ – das gesamte Kanalnetz erneuern. Eschwege war da schon weiter, aber auch dort standen in den 60er Jahren aufwändige und kostspielige Erweiterungen und Modernisierungen der Kanalisation auf der Tagesordnung. Kanal, Strom, Wasser – all diese unverzichtbaren Bestandteile des täglichen Lebens mussten entweder modernisiert oder gänzlich neu eingerichtet werden.

 

Foto PM

Bildunterschrift: Der Bau der Kanalisation in Witzenhausen galt in den 60er Jahren als ein „Jahrhundertprojekt“.

 

 

Gesundheit und Bildung

 

Einen ganz wichtigen Bestandteil bürgernaher Grundversorgung bildete auch damals schon das Gesundheitswesen. Beide Kreise gewährleisteten die medizinische Grundversorgung ihrer Bürger durch eigene Krankenhäuser: Der Kreis Eschwege als alleiniger Träger, der Kreis Witzenhausen seit 1950 gemeinsam mit der Stadt Witzenhausen im „Zweckverband Kreis- und Stadtkrankenhaus Witzenhausen“. Immer wieder baulich modernisiert – in Witzenhausen 1952, in Eschwege 1968 – und medizinisch auf den neuesten Stand gebracht, konnten beide Krankenhäuser eine hohen medizinische Qualität aufweisen und waren damals schon als Standortfaktoren unverzichtbar.   

 

Erklärtes politisches Ziel der damaligen hessischen Landesregierung war der Versuch, größtmögliche Chancengleichheit im Bildungsbereich zu erreichen. Dies konnte natürlich nicht mit den traditionellen Dorfschulen geschehen, deren teilweise noch eingleisiges System – alle Jahrgangsstufen wurden in einem Raum unterrichtet – den Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft nicht gerecht wurde. Dies zu ändern war vordringliches Ziel auch der politisch Verantwortlichen in unserer Region und so entstand mit der „Ernst-Reuter-Schule“ auf der grünen Wiese zwischen Eichenberg, Berge und Hebenshausen Ende der 50er Jahre eine der ersten sog. „Mittelpunktschulen“ Deutschlands. Damit wurde ein deutliches bildungspolitisches Signal gesetzt und in den frühen sechziger Jahren konnte der Bau von Mittelpunktschulen u. a. in Grebendorf, Herleshausen, Hundelshausen, Nesselröden, Rommerode, Waldkappel, Wanfried und Walburg vehement vorangetrieben werden. 

 

Foto PM

Bildunterschrift: Grundsteinlegung für die Gelstertal Mittelpunktschule in den 1960er Jahren.

 

 

Realschulen bzw. Realschulzweige fanden sich in beiden Landkreisen nahezu flächendeckend, Höhere Schulen gab es in Bad Sooden-Allendorf, Eschwege und Hess. Lichtenau, eine der ersten „Gesamtschulen“ seit 1968 in Witzenhausen.      

 

 

Universitätsstadt Witzenhausen 

 

In Witzenhausen als traditionellem Standort landwirtschaftlicher Ausbildung, entstand 1963 mit der „Deutschen Landmaschinenschule“, kurz DEULA, eine moderne landwirtschaftliche Bildungseinrichtung von überregionaler Ausstrahlung. Hinzu kam mit dem „Seminar für ländliche Entwicklungshilfe“ ein völlig neues Bildungsangebot, das die Kreisstadt zu einem landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum von Rang werden ließ. Den zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit der Einbindung der Witzenhäuser Ingenieurschulen als Fachbereiche in die neue Gesamthochschule Kassel: Mit dem Beginn des Wintersemesters 1971/72 nahm die GHK mit 300 Studenten auch in Witzenhausen ihren Lehrbetrieb auf – die Kirschenstadt hatte Eingang gefunden in den elitären Kreis der deutschen Universitätsstädte.  

 

 

 

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