Konflikte thematisieren - Ideologien hinterfragen

Berkatal, den 15. 06. 2016

Pressemitteilung

 

Eschwege, den 15. Juni 2016

 

Konflikte thematisieren - Ideologien hinterfragen

 

Zwei Workshops auf der Jugendburg Ludwigstein zum Umgang mit salafistischen Anwerbeversuchen und religiöser Radikalisierung

 

Radikale Salafisten streben nach einer Gesellschaft, die dem - nach ihrer Meinung - reinem Islam der Kalifate nach dem Tod des Propheten Mohammeds im siebten Jahrhundert entspricht. Alle damaligen innerislamischen Konflikte blenden sie für dieses Ideal aus. Ein wahrer Muslim lebt nur nach dem im Koran festgeschriebenen Gesetz Gottes, wogegen die Demokratie allein schon deshalb schlecht ist, weil sie von Menschen gemacht wurde. In Deutschland lebend, haben diese Ultrareligiösen aber ein prinzipielles Problem, denn der wahre Muslim lebt im Westen in Sünde. Nur wenn er hier missioniert, ist sein Aufenthalt legitimiert. Und so kommt es, dass Salafisten in einzelnen Moscheen und Flüchtlingsunterkünften andere Muslime unter Druck setzen, sich von den Götzen „Demokratie“ und „Staat“ abzukehren, um ein richtiger Muslim gemäß der „Salaf“, der Altvorderen, sein zu können.

 

Es beginnt in der Regel damit, den Alltag zu islamisieren und zu politisieren: „Mein 3-jähriger Sohn kann nicht mehr frei durch die Unterkunft laufen, weil Deine 14-jährige Tochter kein Kopftuch trägt“. Dieser kulturelle Druck bestraft „unislamisches Verhalten“ und freie Entscheidungen z. B. von Mitbewohnern verlieren ihre Selbstverständlichkeit. Dschihadistische Prediger gehen weit darüber hinaus und werben vor allem junge Menschen dafür, in Syrien oder Libyen den islamischen Staat mit der Waffe zu erkämpfen.

 

Vor diesem Hintergrund führte auf Initiative von Ilona Friedrich, Fachbereichsleiterin für Jugend, Familie, Senioren und Soziales beim Werra-Meißner-Kreis, die Fach- und Koordinierungsstelle der kreisweiten Partnerschaft für Demokratie zwei jeweils vierstündige Workshops zur Salafismusprävention auf der Jugendburg Ludwigstein durch. Am 24. Mai 2016 nahmen 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bildungs- und Betreuungsbereich unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) teil, am 31. Mai 2016 19 Fachkräfte der Arbeiterwohlfahrt aus den Bereichen Flucht und Integration.

 

Geleitet wurden die Workshops von Frau Hayat Mahioui und Herrn Boujemaa Tajjiou. Beide sind Islamwissenschaftler und arbeiten als pädagogische Berater für die hessische Beratungsstelle „Religiöse Toleranz statt Extremismus“, die inhaltlich vom mehrfach ausgezeichneten und bundesweit tätigen Fachkräfteverbund „Violence Prevention Network“ (VPN) getragen wird.

 

Die Workshops starteten jeweils mit einer Situationsbeschreibung aus Sicht der Teilnehmenden. Im Anschluss informierten die Referenten kenntnisreich und anschaulich, wie extremistische Tendenzen des radikalen Salafismus (z.B. dessen Instrumentalisierung theologischer Quellen) zu erkennen und zu bearbeiten sind. Mit Hilfe von Rollenspielen und Praxiserfahrungen aus der Arbeit von VPN ging es am Ende des Workshops schließlich in die konkrete Fallarbeit, um alltagsrelevant und handlungsorientiert auf salafistische Anwerbeversuche, religiöse Radikalisierung oder kulturelle Konflikte reagieren zu können. Neben der klaren Grenzziehung bei Gewalt und Ausgrenzung wurde heraus gearbeitet, dass in Gesprächen mit Radikalisierten der konkrete Konflikt im Zusammenleben (wenn sich z.B. Andere über religiöse Einflussnahme beschweren) immer wieder zu thematisieren ist. Statt sich in Diskussionen über theologische Auslegungen hinein ziehen zu lassen, sollen die Verantwortlichen die Ideologie dort hinterfragen und sanktionieren, wo sie das gleichberechtigte Leben und Denken anderer Menschen einschränkt.

 

 

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